FORGESTELLT: Mara Bertling, Gründerin und Geschäftsführende Gesellschafterin von DEIN MÜNCHEN

Ich bin immer wieder stolz, was für tolle Frauen bei FIELFALT FORGESTELLT werden. Mara Bertling gehört definitiv dazu. Unermüdlich setzt sie sich für Chancengleichheit ein, ist dabei auch immer noch Kind geblieben und unheimlich (positiv) fokussiert. Bei ihrer Organisation DEIN MÜNCHEN möchte man sofort mithelfen … oder mit Mara einen Kaffee gemeinsam trinken!

Liebe Mara, wenn du nicht in München wohnen würdest: Was wäre deine Wahlheimat? Das kann sich noch zeigen, da ich momentan einfach unglaublich gerne in München lebe. Allerdings begleitet mich immer eine gewisse Sehnsucht zum Meer und der Natur.

Wofür bist du dankbar? Privat bin dankbar, eine unglaublich großartige Tochter, Familie, Freunde und ein positives Umfeld zu haben. Und beruflich ist es einfach ein unfassbar gutes Gefühl, einen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten zu dürfen und zu erleben, dass viele der eigenen Ideen Wirklichkeit werden.

Überhaupt Dankbarkeit empfinden zu können, gehört für mich zu einem zufriedenen Leben dazu und hat aus meiner Sicht auch sehr viel mit der Fähigkeit zu tun, auch in den kleinen alltäglichen Dingen Freude und Glück zu erleben. Ich kann auch Dankbarkeit empfinden, wenn ich in der Früh bei den ersten Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher eine Tasse Kaffee trinke, gerade ein tolles Buch gelesen oder ein paar richtig gute neue Songs für meine aktuelle Playlist gefunden habe. Garantiert stellt sich bei mir Dankbarkeit auch sofort ein, wenn ich einfach nur aufs Meer schauen darf.

Du hast vor einigen Jahren DEIN MÜNCHEN gegründet. Was steckt genau hinter DEIN MÜNCHEN? DEIN MÜNCHEN ist eine eigenständige, gemeinnützige Organisation, mit der wir uns für faire Startbedingungen junger Menschen einsetzen, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem gesellschaftlichen Hintergrund. Sehr viele Kinder und Jugendliche erleben aufgrund schwieriger familiärer und sozialer Hintergründe von Beginn ihres Lebens an Ausgrenzung und Abschätzung, völlig ungeachtet ihrer Fähigkeiten, Potenziale oder Charaktere.

Was bietet ihr an und für wen? Wir setzen da an, wo Schule, Elternhaus und Institutionen ihre Grenzen erreichen. Durch ein vielseitiges, bedarfsorientiertes Programm ermöglichen wir jungen, sozial und finanziell benachteiligten Menschen im Alter von 12 bis ca. 21 Jahren Zugang zu Bildung, Kultur und Sport. Eben einen Zugang zu unserer Gesellschaft, und wir bieten Möglichkeiten an, die für andere Kinder ganz selbstverständlich sind, z.B. ein Instrument lernen, in den Sportverein gehen oder die eigenen Stärken kennenlernen.

Es geht um Chancengerechtigkeit, Teilhabe, die Vermittlung von Wissen, Kompetenzen und die Prägung eines gesunden Selbstwertgefühls. Dabei setzen wir nicht auf kurzfristige Effekte, sondern auf eine langfristige Perspektive. Damit fördern wir die positive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen an den wesentlichen Schlüsselstellen des Lebens. Mit der 8 als Lebenszahl an der Seite gelingt dies immer wieder.

In den letzten sieben Jahren konnten mehr als 6.000 junge Menschen an unseren Programmen teilnehmen. Wir begleiten junge Menschen teils sogar über Jahre als verlässlicher Partner an ihrer Seite. Es ist schon beinahe wie eine Familie.

Wie kam es zur Gründung von DEIN MÜNCHEN? Ich habe über die Jahre immer wieder erleben müssen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die immer brutaler separiert und in der sich die sozialen Schichten immer stärker voneinander trennen. Die Unterschiede in den Möglichkeiten und den damit verbundenen persönlichen Chancen sind enorm. Es bauen sich „scheinbar“ unüberwindbare gesellschaftliche Schranken auf und wir haben dazu keine politischen Antworten oder zukunftsweisenden Ideen zur Abhilfe. Das empfinde ich als unerträglich.

Für mich ist dieser Zustand Grund genug, ausreichend Motivation zu entwickeln, um etwas bewegen zu müssen und Weichen neu stellen zu wollen. Alle unsere Maßnahmen folgen der Idee einer solidarischen, chancengerechten Wertegemeinschaft und einer optimalen Förderung jener, die unser aller Zukunft prägen werden: die Kinder und Jugendlichen.

Mittlerweile beschäftigt DEIN MÜNCHEN neun festangestellte Mitarbeiter*innen, mehr als dreißig freiberufliche Fachkräfte und viele Ehrenamtliche. Es ist unglaublich, was bewegt werden kann, wenn sich engagierte Menschen zusammentun.

Wie sahen deine beruflichen Meilensteine davor aus? Nach meinem Fachabitur an der Fachoberschule für Gestaltung landete ich erst einmal ein paar Jahre im Medien- und Filmbusiness. Das fand ich damals sehr reizvoll und spannend.

Über einen privaten Kontakt kam ich dann recht unverhofft an eine Stelle im sozialen Bereich, die alles Glamouröse verblassen ließ und mich auf eine andere Art fesselte. Ich merkte, wie gerne ich mit und für Menschen arbeite und es mich fasziniert gesellschaftlich relevante Projekte angehen zu dürfen. Diese Erkenntnis führte mich dann zielgerecht zu meinem Studium der Sozialen Arbeit und des Sozialmanagements. Parallel fing ich an für das Vormundschaftsgericht und Familiengericht München zu arbeiten. Eine Tätigkeit, die mich viele Jahre begleitete und mich durch den Einblick in sehr schwierige menschliche Konstellationen und Situationen prägte.

In der Folge arbeitete ich für einen großen Träger im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in München, bei dem ich mich nicht nur mit meinem Know-how einbringen konnte, sondern auch sehr viel über soziale Strukturen und Hilfsnetzwerke lernte. Dieser Arbeitgeber ermöglichte mir auch den Startschuss für meine eigene Initiative DEIN MÜNCHEN, der ich mich durch eine Freistellung in meiner festangestellten Tätigkeit umfänglich widmen konnte. Parallel studierte ich an der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing (BAW) berufsbegleitend Public Relations. 2014 gelang es mir dann, DEIN MÜNCHEN auszugliedern und zu meinem Hauptberuf zu machen: So konnte ich alle mir wichtigen Jobkomponenten miteinander vereinen.

Wie kommt es, dass dir Chancengerechtigkeit und Fairness so wichtig sind? Diese Themen begleiten mich schon mein ganzes Leben und sind sehr tief in mir verwurzelt. Bereits als Kind hatte ich großes Interesse am Schicksal und Leben anderer Menschen. Wie sie sich verhalten und benehmen, wie sie miteinander umgehen, was sie sagen, was sie ermöglichen oder auch Schreckliches anrichten können.

Ich habe immer schon gerne beobachtet und analysiert, zumeist ohne dabei in direkte gedankliche Bewertungen zu verfallen. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, erst einmal offen und interessiert in eine Situation zu gehen, andere Meinungen zuzulassen und meinen eigenen Betrachtungswinkel ggf. auch zu justieren. Auch das hat etwas mit Fairness zu tun.

Ausschlaggebend ist für meine Betrachtungsweise auch meine Sozialisation in einem sehr politisch, musisch und sensitiv geprägtem familiären Umfeld. Das trug auch dazu bei, dass ich eine konkrete Vorstellung von Toleranz, Würde und Respekt habe. Meine Eltern vermittelten mir von klein auf, wie wichtig es ist in ungerecht empfundenen Situationen Haltung zu zeigen.

Was ist erfüllend an deiner Tätigkeit? Das sind tatsächlich recht viele Komponenten.

Angefangen bei den Kids, mit denen ich zu tun habe. Zu erleben, wie viele Kinder und Jugendliche sich positiv entwickeln und den Erfolg unserer Arbeit auch durch sie gespiegelt zu bekommen, macht mich sehr glücklich.

Darüber hinaus hat meine Tätigkeit viel mit Kreativität, Ideen- und Strategieentwicklung, Konzeption und konkretem „doing“ zu tun. Etwas Neues zu entwickeln und in die Umsetzung zu bringen, das dann auch wirklich funktioniert, ist schon „Wow“. Und das ist ja permanent in jeglicher Weiterentwicklung. Ich liebe Visionen und lebe sie gerne gemeinsam mit meinem hochengagierten und wachsenden Team.

Darüber hinaus habe ich mit vielen verschiedenen Menschen, unterschiedlichen Gruppierungen, gesellschaftlichen Szenarien, Schichten und Branchen zu tun und kann täglich meinen Horizont erweitern.

Gibt es auch manchmal Momente, in denen du alles hinschmeißen möchtest? Wenn ja: Was tust du dann? Meistens dauert so ein Moment, wenn er denn eintritt, nicht sehr lange. Frustrierende Momente kennt jeder. Manchmal laufen Dinge eben nicht wie geplant oder erhofft. Dazu kommt, je mehr Projekte, Menschen, Herausforderungen, umso mehr Potential für Probleme, Missverständnisse, usw. Manchmal denke ich mir, „irgendwas ist immer“, aber im Laufe der Jahre wird auch das Fell etwas dicker.

Im Zweifel hilft dann auch ein gutes Glas Wein, Musik hören, abschalten, ausschlafen und die meist richtige Annahme, dass die Tragik in der Wahrnehmung am nächsten Tag wieder verflogen ist.

Wie kann man DEIN MÜNCHEN unterstützen? Ganz konkret mit Geld (Spenden, Fördermittel, Sponsoring), als Mitdenkerin, Mitarbeiterin, mit Kontakten durch das eigene Netzwerk und Unterstützung, um unsere Themen sichtbar zu machen und an unserer Vision von einer fairen Gemeinschaft mitzuwirken.

Zu guter Letzt: Du setzt dich sehr für Kinder und junge Menschen ein. In welchen Momenten oder Situationen kannst du selbst noch Kind sein? Es gibt eine Postkarte über deren Aufdruck ich immer mal wieder schmunzle: „Wann willst Du Dich denn mal Deinem Alter entsprechend verhalten? – Sag ich nicht!“

Neugier, Interesse, mal Unsinn machen, den Moment genießen, Neues auszuprobieren, auch mal unvernünftig zu sein, herzlich gemeinsam lachen: All das macht doch Spaß und trägt uns durch das Leben. Wer darauf bewusst verzichtet, weil das angeblich nicht mehr dem eigenen Alter entspricht, ist sehr alt (unabhängig vom Alter). Das finde ich ein bisschen traurig – und langweilig! ; )

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